http://www.lptw.de/archiv/vortrag/2010/keupp_h.pdf
hier ein paar stichworte und auszüge:
(marktradikale freiheitsideologie, neoliberales erfolgsparadigma, marktlogik, die für das billigste angebot das zweitbilligste sofort fallen lässt. das problem ist aber, dass das individuum dieser sprunghaften logik nicht folgen kann, ohne eine auflösung des selbst(werts) zu riskieren. und andererseits gibt es keine kultur des scheiterns, in denen die erfahrung von verlust und niederlage in die eigene biographie integriert werden kann, ohne daran zu grunde zu gehen ...)
"Schon eigene Alltagserfahrungen stützen die Vermutung, dass von den einzelnen Personen eine hohe Eigenleistung bei diesem Prozess der konstruktiven Selbstverortung zu erbringen ist. Sie müssen Erfahrungsfragmente in einen für sie sinnhaften Zusammenhang bringen. Diese individuelle Verknüpfungsarbeit nenne ich “Identitätsarbeit”, und ich habe ihre Typik mit der Metapher vom “Patchwork” auszudrücken versucht "
"Identitätsarbeit hat als Bedingung und als Ziel die Schaffung von Lebenskohärenz. In früheren gesellschaftlichen Epochen war die Bereitschaft zur Übernahme vorgefertigter Identitätspakete das zentrale Kriterium für Lebensbewältigung. Heute kommt es auf die individuelle Passungs- und Identitätsarbeit an, also auf die Fähigkeit zur Selbstorganisati- on, zum "Selbsttätigwerden" oder zur „Selbsteinbettung“. In Projekten bürgerschaftlichen Engagements wird diese Fähigkeit gebraucht und zugleich gefördert. Das Gelingen dieser Identitätsarbeit bemisst sich für das Subjekt von Innen an dem Kriterium der Authentizi- tät und von außen am Kriterium der Anerkennung." (s.14)
"Die „Kinder der Freiheit“ werden meist so dargestellt, als hätten sie das Wertesystem der Moderne endgültig hinter sich gelassen. Es wird als „Wertekorsett“ be- schrieben, von dem man sich befreit habe und nun könnte sich jede und jeder ihren eige- nen Wertecocktail zu Recht mixen. Das klingt nach unbegrenzten Chancen der Selbstbe- stimmung und Selbstverwirklichung. Aber diese Situation beschreibt keine frei wählbare Kür, sondern sie stellt eine Pflicht dar und diese zu erfüllen, erfordert Fähigkeiten und Kompetenzen, über die längst nicht alle Menschen in der Reflexiven Moderne verfügen." ( s.16)
"Eine solche psychologistische Reduktion fügt sich sehr gut ein in ein neoliberales Menschenbild, das eine maximierte Selbstkontrolle als Fortschritt anpreist. Johanno Strasser (2000) hat diese Kritik zuspitzt. Er vertritt die These, dass Ausbeutung und Ent- fremdung zunehmend weniger als fremd gesetzter Zwang einem Menschen begegnet, sondern mehr und mehr zu einer Selbsttechnologie wird, zu einer Selbstdressur, die allerdings in den Ideologien des Neoliberalismus in einem Freiheits- oder Autonomiediskurs daher kommt."
(s.19)